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Tipps & Tricks

Kürzestgeschichten und andere literarische Minitexte

Januar 17, 2017 • von

Kurze – und ich meine wirklich kurze – Texte schreiben zu können, ist für Autoren essenziell. Denn, wer kurze Texte verfassen kann, der schafft es auch, den Blick auf dem Wesentlichen zu behalten und in seinen Geschichten nicht abzuschweifen.
Beim Schreiben von kurzen Texten könnt ihr üben, wie ihr dem Leser den Charakter einer Figur in wenigen Sätzen zeigt, wie ihr das Setting oder die Atmosphäre möglichst knapp beschreibt oder wie ihr eine überraschende Wendung einbaut. Deshalb zeige ich euch heute, welche kurzen Textsorten es gibt.

Eine besondere Form solcher Minitexte stellt die Kürzestgeschichte dar. Es gibt keine Definition, wie viele Wörter oder Zeichen eine Kürzestgeschichte haben darf, aber sie weist im Wesentlichen folgende Merkmale auf:

1. Sie kommt sehr schnell zum Kern der Geschichte und verzichtet auf eine Einleitung.
2. Sie ist in sich geschlossen und es gibt in der Regel kein Vorher und kein Nachher.
3. Hinsichtlich ihrer Themen gibt es keine Beschränkung – alles ist erlaubt
4. Jedes überflüssige Wort ist zu streichen. Dies gilt vor allem für Blähwörter, unbeabsichtigte Wiederholungen oder Dopplungen. Die Wortwahl ist so präzise wie möglich.
5. Die Sprache ist meist reich an Metaphern und Symbolen.
6. Die Figuren zeigen keine oder nur eine geringe Entwicklung. Oft wird nur ein Charakterzug dargestellt.
7. Es gibt kaum Handlung. Eine Kürzestgeschichte zeigt meist nur einen Augenblick oder eine Situation.
8. Sie steuert auf eine überraschende Wendung oder Pointe zu.

Damit ihr seht, was genau man darunter versteht, habe ich hier zwei meiner Kürzestgeschichten für euch:

Der Weg war steinig

Der Weg war steinig und unwegsam. An den Seiten wurde er gesäumt von Feldern aus Raps und Getreide, doch kein Bauer war zu sehen. Es war totenstill, nur das Pfeifen des Windes war zu hören. In der Ferne stieg Rauch in die Höhe und schon bald konnte ich Häuser sehen. Es waren einfache Häuser, die von einfachen Leuten bewohnt wurden. Ich klopfte an das erste Haus, dessen Vorhänge den Blick durch die Fenster nicht gänzlich versperrten. Ich war lange unterwegs und hatte Hunger. Die Bauersfrau gab mir zu essen und führte mich in den Keller, in dem ein Bett für mich bereitstand. Da ich hundemüde war, schlief ich sofort ein, doch nachts riss mich ein lauter Knall aus den Träumen. Sirenen ertönten, Rauch breitete sich aus. Der Krieg hatte mich gefunden.

713 Freunde

Er hat 713 Freunde. Er ist stolz, denn soeben hat er einen neuen Freund hinzugefügt. Nun sind es 714. Zum Mittag hatte er eine Currywurst. 320 seiner Freunde haben sein Foto geliked. 2 fanden es sogar so gut, dass sie es geteilt haben. Er ist stolz. Susi hat sogar einen Kommentar geschrieben: „Lecker.“
Seit längerem schon will er sie nach einem Date fragen, doch ihr Beziehungsstatus lautete bisher immer „in einer Beziehung“. Jetzt steht dort „Single“. Er wagt es und schreibt ihr eine PM. Sie antwortet nicht. Er hat 713 Freunde. Susi gehört nicht mehr dazu. Sie hat die Freundschaft beendet. Einfach so, mit einem Tastendruck.

Andere Minitexte, die sich auch super für Schreibübungen eignen, sind literarische Schnappschüsse, auch Snapshots genannt, und Webcam-Texte.
Literarische Schnappschüsse sind Momentaufnahmen, die aus nur einem einzigen Satz bestehen. Außerdem besitzt der Satz kein Prädikat (Satzaussage, die mit einem Verb gebildet wird) und auch keine Wertung. Der Schnappschuss ist so neutral wie die Aufnahme mit einer Fotokamera. Ein Webcam-Text hingegen geht noch etwas weiter. Hierbei wird eine Alltagsszene beschrieben, und zwar so neutral wie möglich. Der Text wird im Präsens geschrieben und enthält ebenfalls keine Wertungen.

Selbstverständlich müsst ihr euch bei euren Übungen nicht penibel an die eben genannten Eigenschaften der Snapshots oder Webcam-Texte halten. Ich persönlich mag es, Momentaufnahmen zu schreiben, die, ich gebe es zu, oft ein Prädikat enthalten. Oft versuche ich auch, meine längeren Geschichten in einem einzigen Satz zusammenzufassen. Denn diese Übung hilft enorm, wenn es irgendwann einmal darum geht, den eigenen Roman für den Pitch im Exposé in einem bis drei Sätzen zusammenzufassen.

Für Webcam-Texte könnt ihr zudem durch die Beobachtung eurer Umgebung, egal ob es sich dabei um eure Mitmenschen oder die Natur handelt, Details wahrnehmen, die ihr euch niemals ausdenken könntet. Je mehr dieser Beobachtungen ihr aufschreibt, desto leichter fällt es euch später, in euren literarischen Texten ähnliche Situationen zu beschreiben. Deshalb solltet ihr ab sofort immer ein Notizbuch und einen Stift dabei haben …

Probiert es doch mal aus und berichtet mir davon!

Eure Verena


Tipps & Tricks

Figurencharakterisierung

Juli 9, 2015 • von

Was ist es, das uns am meisten im Gedächtnis bleibt, wenn wir an ein gelesenes Buch denken? Oft sind es die Charaktere, die einem als Erstes in den Sinn kommen, bevor man sich an die Handlung der Geschichte erinnert. Deshalb möchte ich in diesem Blogpost auf die Figurencharakterisierung eingehen.

Oft sind es die Figuren eines Romans, die über dessen Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Aus diesem Grund sollte man sich beim Schreiben einer Geschichte besonders um die Charakterisierung der Figuren kümmern.
Die Charaktere müssen glaubwürdig sein, zur Handlung passen und sollten während der Geschichte eine Entwicklung durchmachen. Es gibt nichts Schlimmeres und Langweiligeres als starre Figuren, die nicht über sich hinauswachsen. Machen die Figuren jedoch eine Veränderung durch, die den Leser fesselt und Emotionen weckt, bleibt automatisch auch die Geschichte spannend.

Doch was sind gute Figuren?

Für die Erstellung von spannenden Charakteren gibt es kein Patentrezept. Doch es gibt einige Tipps, an die man sich halten kann, damit die Figuren stimmig sind und sich der Leser in sie hineinversetzen kann.

1. Die Hauptfigur muss ein Ziel haben. Durch das Verfolgen des Ziels gerät die Figur dann in Konflikte mit der Außenwelt, mit dem eigenen Inneren, mit einem Gegenspieler etc. So kommt die Geschichte ins Rollen, bis der Charakter das Ziel am Ende erreicht.

2. Der Charakter muss glaubwürdig sein. Seine Handlungen müssen zu seinen inneren Motiven passen. Dazu gehört auch, dass der Plot und die Figurencharakteristik aufeinander abgestimmt werden. Hier kann es hilfreich sein, die Motivation des Charakters in Gedanken nachzuvollziehen und dort mitzuerleben. Wenn man selbst es dann als plausibel erachtet, werden auch die Leser den Handlungsverlauf nachvollziehen können.

3. Auch die äußeren Merkmale, das Verhalten und die Sprache sollten das Innere der Figur widerspiegeln. Hilfreich dafür ist es, sich immer wieder zu fragen, ob die Eigenschaften wirklich zur entworfenen Figur passen. Wenn hier alles stimmig ist, kann der Leser Rückschlüsse auf die Herkunft, den Bildungsstand und die Erziehung der Figur ziehen, ohne dass diese konkret in der Geschichte genannt werden müssen.

4. Unbedingt Klischees vermeiden. Für Leser gibt es nichts Uninteressanteres als ausgelutschte Figurencharakterisierungen. Beispiele dafür sind der Zigarre rauchende Bankdirektor, der heruntergekommene Privatdetektiv, der draufgängerische Abenteurer … Ein komplexer Charakter, der Überraschungen bereit hält und dennoch glaubwürdig erscheint, ist hier die eindeutig bessere Wahl.

5. Um eine Figur in den Roman einzuführen, sollte man es unbedingt vermeiden, eine seitenlange Aufzählung über die Eigenschaften und Vorgeschichte der Figur herunter zu beten. Die Details sollten nach und nach in die Geschichte einfließen, so als ob man einen realen Menschen kennenlernen würde. Denn kein fremder Mensch würde uns beim ersten Kennenlernen seine komplette Lebensgeschichte erzählen. Dennoch sollte der Leser die Figur bereits gut genug kennen, bevor man ein emotionales Ereignis wie einen Unfall stattfinden lässt, denn sonst kann der Leser ihr kein Mitgefühl entgegenbringen.

Was man über seine Figuren wissen sollte

– Name (dieser sollte zur Figur passen)
– Geschlecht, Alter etc.
– äußere Erscheinung
– sprachliche Eigenschaften (Dialekt, Wortschatz, Lieblingswörter etc.)
– Stärken und Schwächen
– Ängste
– Bildungsstand
– Beruf
– Familie und Herkunft
– Gestik
– Hobbys, Gewohnheiten
– Ansichten und Überzeugungen
– etc.

Diese Liste kann beliebig ergänzt werden. Es ist jedoch nicht bei jeder Figur zwingend notwendig, alle Punkte abhaken zu können. Doch je mehr man über seine Figur weiß, desto authentischer wirkt sie.

Verschiedene Figurentypen

Nicht jede Figur, die in einer Geschichte auftaucht, muss bis ins kleinste Detail entwickelt werden. Die verschiedenen Figuren bekleiden unterschiedliche Rollen in der Geschichte. Hier unterscheidet man zwischen: Platzhalter, Nebenfigur, Protagonist und Antagonist.

Platzhalter können mit Statisten in einem Film verglichen werden. Meist tauchen sie nur ein einziges Mal auf und brauchen daher keine abgerundeten Charaktere zu sein. Platzhalter eignen sich besonders dazu, das Setting einer Szene zu gestalten, also das Milieu, den Ort oder die Atmosphäre.

Nebenfiguren spielen schon eine wichtigere Rolle und sollten dementsprechend etwas ausführlicher gestaltet werden. Sie brauchen keine Vergangenheit zu besitzen und dürfen relativ eindimensional sein. Dennoch benötigen sie ein aussagekräftiges Profil, denn der Leser muss wissen, wer und wie sie sind, damit er sie im späteren Verlauf der Geschichte auch wiedererkennt. Nebenfiguren dürfen im Verlauf der Handlung eine Entwicklung durchmachen, diese sollte jedoch nicht so tiefgreifend sein, wie bei der Hauptfigur.

Der Protagonist steht im Mittelpunkt der Erzählung. Als Autor sollte man so viel wie möglich über diese Figur wissen. Die Hauptfigur macht im Laufe der Geschichte eine tiefgreifende Entwicklung durch, die die Handlung vorantreibt. Sie sollte Sympathie, Neugier oder zumindest Interesse des Lesers wecken, aber auch Fehler, Schwächen und unsympathische Charakterzüge aufweisen. Hier kommt es darauf an, die positiven und negativen Eigenschaften gut zu verteilen.

Der Antagonist ist der Gegenspieler der Hauptfigur. Er kommt der Hauptfigur beim Versuch, ihr Ziel zu erreichen, ständig in die Quere. Auch ihn sollte man als Autor möglichst gut kennen. Er braucht eine Vorgeschichte sowie eine einleuchtende Erklärung, warum er so geworden ist. Der Antagonist kann der klassische Bösewicht sein, es kann sich aber auch um »die Gesellschaft« oder um einen Kampf handeln, der sich im Inneren der Hauptfigur abspielt. In diesem Fall wäre sein Gegenspieler eine bestimmte Angst, Schwäche oder Sucht. Das Kräfteverhältnis zwischen Antagonist und Protagonist sollte in etwa gleich sein, damit die Widerstände nicht so leicht überwunden werden können.

Nun wünsche ich euch mithilfe der Tipps viel Spaß beim Kreieren eurer Figuren!

Eure Verena