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Rezensionen, Schreiben & Lesen

Rezension zu »George«

Oktober 13, 2017 • von

Titel: George
Autor: Alex Gino
Verlag: Scholastic Bk Services
Einband: Taschenbuch
Seiten: 224
Alter: 9 – 12 Jahre
ISBN: 978-0-545-81257-3
Preis: CH: 9,40 CHF/D: ca. 5,99 €
Erscheinungsdatum Originalausgabe: 2015

Klappentext auf dem Taschenbuch:

Englisch:
When people look at George, they think they see a boy. But she knows she’s not a boy. She knows she’s a girl.

George thinks she’ll have to keep this a secret forever. Then her teacher announces that their class play is going to be Charlotte’s Web. George really, really, REALLY wants to play Charlotte. But the teacher says she can’t even try out for the part . . . because she’s a boy.

With the help of her best friend, Kelly, George comes up with a plan. Not just so she can be Charlotte — but so everyone can know who she is, once and for all.

Deutsch:
Sei, wer du bist!

George ist zehn Jahre alt, geht in die vierte Klasse, liebt die Farbe Rosa und liest heimlich Mädchenzeitschriften, die sie vor ihrer Mutter und ihrem großen Bruder versteckt. Jeder denkt, dass George ein Junge ist. Fast verzweifelt sie daran. Denn sie ist ein Mädchen! Bisher hat sie sich noch nicht getraut, mit jemandem darüber zu sprechen. Noch nicht einmal ihre beste Freundin Kelly weiß davon. Aber dann wird in der Schule ein Theaterstück aufgeführt. Und George will die weibliche Hauptrolle spielen, um allen zu zeigen, wer sie ist. Als George und Kelly zusammen für die Aufführung proben, erzählt George Kelly ihr größtes Geheimnis. Kelly macht George Mut, zu sich selbst zu stehen.

›George‹ erzählt einfühlsam und unprätentiös vom Anderssein und ermutigt, den eigenen Weg zu gehen. Der erste Kinderroman zum Thema Transgender, der auch ältere Leser fesseln wird und der die Botschaft vermittelt: Sei, wer du bist!

Zum Autor:

Alex Gino, geboren und aufgewachsen in Staten Island, New York, mag die Natur und Geschichten, die die Vielfalt des Lebens widerspiegeln. Heute lebt Alex Gino mit Partner und zwei Katzen in Kalifornien, USA. Alex Gino ist seit über zwanzig Jahren in der queeren und Transgender-Bewegung aktiv. Persönliche Erfahrungen und das Wissen, dass Transgender-Kinder Romane brauchen, die sie bestärken und ihnen Mut machen, waren der Anlass ›George‹ zu schreiben. (Quelle: Amazon.de)

Mom, what if I’m a girl?

Ich habe die Geschichte über die 10-Jährige George, die sich heimlich Melissa nennt und Mädchenzeitschriften sammelt, auf Englisch gelesen, und dieser Satz ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben. Denn die Angst davor, wie ihre Mutter reagiert, wenn sie erfährt, dass George ein Mädchen ist, schwingt das gesamte Buch über mit. Und dass George ein Mädchen ist, daran besteht kein Zweifel.

Die Geschichte wird durch einen personalen Erzähler geschildert, der über George stets mit dem Personalpronomen »she«, also »sie«, berichtet. George liebt außerdem Mädchenkleidung und kämmt sich, wenn sie alleine ist, die Haare nach vorne, sodass ihre Frisur femininer wirkt. Sie hasst ihren Jungenkörper und alles, was damit zu tun hat. Sie hasst es, in der Schule aufs Jungenklo gehen zu müssen. Doch am deutlichsten zeigt sich ihre Abneigung gegen ihren Körper, wenn sie badet: Dann zieht sie ihre Unterhose erst ganz zum Schluss aus und versucht nicht auf das zu achten, was da zwischen ihren Beinen ist.

Auch in der Schule hat sie es nicht leicht. Von ihren Mitschülern Jeff und Rick wird sie stets gemobbt und als Freak abgestempelt, weil sie so gar nicht wie die anderen Jungs ist. Nur bei ihrer besten Freundin Kelly kann George sich so geben, wie sie ist. Gemeinsam proben sie für die Rolle der Charlotte im Theaterstück Charlotte’s Web, die George unbedingt ergattern will. Leider gibt ihr die Lehrerin keine Chance dazu. Als schließlich Kelly die Rolle bekommt, wird die Freundschaft der Kinder auf eine harte Probe gestellt. Doch Kelly und George wären keine besten Freunde, wenn sie sich nicht nach kurzer Zeit wieder vertragen würden. So ist es auch kein Wunder, dass Kelly die Erste ist, die erfährt, dass George ein Transmädchen ist. Gemeinsam hecken sie schließlich einen Plan aus, damit George allen zeigen kann, was in ihr steckt und wer sie wirklich ist.

Dass Georges Angst, ihrer Familie die Wahrheit zu sagen, berechtigt ist, zeigt sich am Ende des Buches, denn ihre Mutter tut sich mehr als schwer damit, zu akzeptieren, dass ihr Sohn ein Mädchen ist. Stattdessen bekommt George unerwartet Rückhalt von ihrem älteren Bruder Scott. Er vermutet zunächst zwar, George sei schwul, doch als er erfährt, dass sie Transgender ist, hält er erst recht zu ihr.

Ein Buch, das Mut macht, zu sich selbst zu stehen

Ich habe das Buch im Original, also auf Englisch, gelesen. Die Sprache ist kindgerecht gehalten und leicht verständlich, sodass es auch von jenen gelesen werden kann, die nicht so gut Englisch sprechen. Alle anderen können aber guten Gewissens auch zur deutschen Übersetzung greifen.

Dass das Buch für Kinder ist, wird nicht nur an der einfachen Sprache deutlich. Auch dass George bei ihrem Coming-out sehr viel Zuspruch erhält, kaum auf Widerstände stößt (mal von der Mutter abgesehen) und am Ende als Melissa in die Welt hinausgeht, führt dazu, dass der kindliche Leser das Buch mit einem guten Gefühl zuschlägt. So macht die Geschichte vor allem jüngeren Kindern Mut, zu sich selbst zu stehen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass gerade ältere Kinder den Ausgang der Geschichte mehr hinterfragen, da sie die Welt in der sie leben bereits besser kennen und wissen, dass es nicht immer so gut läuft.

Meiner Meinung nach sollte das Buch von Kindern nur begleitet durch einen Elternteil oder einen Lehrer gelesen werden, denn so können Unklarheiten, die beim Lesen aufkommen, gleich gemeinsam besprochen werden. Im Anhang des Buches beantwortet Alex Gino zwar noch einige Fragen, doch das Thema Transsexualität wird leider nicht ausreichend erklärt. Georges Geschichte kann bei Kindern, die noch nie davon gehört haben, also durchaus zu Verwirrung führen.

Nichtsdestotrotz ist das Buch sehr lesenswert – nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Ich kann es deshalb uneingeschränkt empfehlen.

Eure Verena


Rezensionen, Schreiben & Lesen

Sketchnotes kann jeder? Definitiv!

September 9, 2017 • von

Heute möchte ich euch das Buch »Sketchnotes kann jeder« von Ines Schaffranek vorstellen. Ich sage bewusst »vorstellen«, denn dieser Blogpost soll keine Rezension im klassischen Sinne sein, sondern einfach meine Gedanken zu dem Buch widerspiegeln.

Auf Sketchnotes aufmerksam geworden bin ich durch diesen Blogeintrag von Nina C. Hasse. Über ihre Link-Tipps bin ich schließlich auf den Blog pheminific und auch auf das Buch »Sketchnotes kann jeder« gestoßen. Und so kam eins zum anderen. Ich begann mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, und obwohl ich nie zu denen gehörte, die gut zeichnen können, fing ich einfach an. Und was soll ich sagen? Das Buch ist für Anfänger einfach wie gemacht.

Auf seinen etwas mehr als 200 Seiten vermittelt es extrem viele Grundlagen. Angefangen bei den einfachsten Formen, aus denen man ohne großen Aufwand ein komplexes Bild erschaffen kann, über Methoden zur Entwicklung eigener Bildideen bis hin zu Zeichen-Übungen. Aber auch für diejenigen, die sich mit Sketchnotes schon auskennen, finden darin allerhand nützliches Zusatzwissen zu den Werkzeugen und Zeichenmaterialien, dazu wie Sketchnotes bei Vorträgen entstehen, wie man sie digitalisieren oder direkt mit dem Tablet zeichnen kann, etwas zur Farbenlehre und, und, und.

Ich muss mich also korrigieren: Das Buch ist sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene gemacht.

Die Dinge, die mir jedoch am meisten im Gedächtnis geblieben sind, sind eher praktischer Natur und haben direkt mit dem Zeichnen zu tun, da ich persönlich hier den größten Nachholbedarf habe. Sie lauten wie folgt:

  • Als Zeichenübung darf ich Figuren von anderen kopieren. Je mehr ich übe, desto eher entwickelt sich mein eigener Stil.
  • Ich sollte mir eine Symbolbibliothek mit Bildern anlegen, die ich für meine Sketchnotes brauche. In meinem Fall, um damit zu plotten.
  • Ideenstütze: flaticon.com. Auf dieser Seite war ich inzwischen viele Male, um mir Ideen für Symbole zu holen.
  • Auch ich kann mit einfachen Mitteln Menschen zeichnen.
  • Der Text – einzelne Wörter oder Stichpunkte – kommt aus Gründen der Übersichtlichkeit immer vor dem Bild. Das Bild kann hinterher drum herum entstehen.
  • Fehler machen ist okay. Wichtig ist zu wissen, wie man damit umgeht.
  • Übung macht den Meister. Wie überall im Leben.
  • Etc.

Am Ende entstand daraus diese Sketchnote:

Sketchnotes werden in meinem zukünftigen Leben definitiv eine Rolle einnehmen, auch wenn es sicher noch lange dauert, bis ich bei Vorträgen direkt mitsketche. Zum Plotten finde ich es jedoch einfach klasse. Denn ich kann dadurch mit wenigen Symbolen etwas ausdrücken, was ich sonst in mehrere Sätze packen würde. Die Informationen, die ich sonst erst umständlich durchlesen müsste, sind dadurch übersichtlicher und auf einen Blick ersichtlich. Und die Geschichten in meinem Kopf bekommen dadurch gleich eine visuelle Umsetzung.

Falls ihr noch zur Schule oder Uni geht, kann ich es euch ebenfalls empfehlen. Hätte ich Sketchnotes schon zu meinen Schul- oder Unizeiten gekannt, hätte ich beim Lernen des Klausurstoffs ganz sicher auch darauf zurückgegriffen. Genauso wie andere Kreativtechniken gehören Sketchnotes meines Erachtens in das Repertoire jedes Lehrers und Schülers. Und sollte es jemals ein Schulfach über das »Lernen und Lernmethoden« geben, gehören Sketchnotes definitiv dazu.

Ihr seht, ich bin extrem begeistert und kann euch nur ans Herz legen, euch einmal mit dieser Methode zu beschäftigen. Ihr müsst ja nicht gleich ein Buch kaufen, denn viele Infos findet man auch im Internet, wenn man danach googelt. Doch für mich hat sich die Anschaffung des Buches auf jeden Fall gelohnt, auch wenn es mit 36,90 CHF nicht ganz so günstig war.

Habt ihr selbst auch schon Erfahrungen mit Sketchnotes gemacht oder nutzt ihr sie vielleicht schon ausgiebig? Schreibt mir gerne in den Kommentaren, was euch dazu einfällt. Ich freue mich, von euch zu lesen.

Eure Verena


Rezensionen, Schreiben & Lesen

Rezension zu »Im Hause Longbourn«

Mai 29, 2017 • von

Titel: Im Hause Longbourn
Autor: Jo Baker
Verlag: Penguin Verlag
Einband: Taschenbuch
Seiten: 448
Alter: keine Altersempfehlung
ISBN: 978-3-328-10027-0
Preis: CH: 14,90 CHF/D: 10,00 €/A: 10,30 €
Erscheinungsdatum: 11.10.2016/Originalausgabe: 2013

Klappentext auf dem Taschenbuch:

Eine mächtige Familie und ihre Dienstboten. Und ein Haus, das alle Geheimnisse kennt.

Während oben in den Salons von Longbourn die Töchter der Familie Bennet überlegen, wie sie die reichen Junggesellen Mr Bingley und Mr Darcy einfangen können, müht sich unten in den Diensträumen das Hausmädchen Sarah über Wäschebottichen und Töpfen ab und träumt dabei von einem anderen, aufregenderen Leben. Als ein neuer Hausdiener im Herrenhaus auftaucht, scheint er wie die Antwort auf ihre Stoßgebete. Doch James hütet ein Geheimnis von großer Sprengkraft. Es könnte das Leben auf Longbourn für immer verändern.

Zur Autorin:

Jo Baker wurde in Lancashire geboren und studierte an der Oxford University und der Queen’s University in Belfast, wo sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte. Seither veröffentlichte sie fünf Romane, die ihr in der Presse viel Lob einbrachten. Mit »Im Hause Longbourn« gelang ihr der internationale Durchbruch. Jo Baker lebt mit ihrer Familie in Lancaster. (Quelle: www.buch.ch und Angaben im Buch.)

Kurze Zusammenfassung:

Das Buch »Im Hause Longbourn« ist ein historischer Roman, der an »Stolz und Vorurteil« von Jane Austen anknüpft und das Leben und Arbeiten der Dienstboten des Hauses näher beschreibt. Es ist in drei Bände unterteilt und den einzelnen Kapiteln ist jeweils ein Zitat aus »Stolz und Vorurteil« vorangestellt.

Der erste Band stellt hierbei eine Einführung in die Handlung und der Charaktere dar. Erste Konflikte werden sichtbar.

Im zweiten Band nimmt die Handlung Fahrt auf, Beziehungen werden geknüpft, die Liebesgeschichte zwischen Sarah und James wird zum zentralen Thema.

Im dritten Band wird schließlich alles Bisherige auf den Kopf gestellt. Die Vergangenheit wird aufgelöst und schlägt eine Brücke zu dem, was der Leser bereits in den ersten beiden Bänden erfahren hat. Am Ende wird natürlich alles gut, aber wie, möchte ich euch an dieser Stelle nicht verraten.

Schöne Geschichte, aber eine etwas zu langatmige Handlung …

Da ich ein riesiger Fan der Bücher von Jane Austen bin, habe ich mich sehr auf Jo Bakers »Im Hause Longbourn« gefreut. Ich war überaus gespannt darauf, wie die Autorin das Leben der Dienstboten der Familie Bennet aus »Stolz und Vorurteil« beschreiben würde und welche Irrungen und Wirrungen sie sich für sie ausgedacht haben mochte. Da die Dienstboten selbst in der Romanvorlage nur einmal kurz erwähnt wurden, gab es hier viel Raum für eigene Ideen und Entfaltung. Was die Charaktere, die Geschichte im Allgemeinen und den Stil anging, wurde ich auch durchaus nicht enttäuscht. Doch die langatmige Handlung, die andauernden Wiederholungen und die teilweise lieblose Darstellung der (für mich so geliebten) älteren Bennet-Schwestern ließen mich das Buch nicht so genießen, wie ich es gerne getan hätte. Aber eins nach dem anderen …

Die Charaktere des Buches, zumindest die der Dienstboten, haben mir gut gefallen. Zunächst lernt der Leser Mr und Mrs Hill, Sarah und Polly kennen, die im Haushalt der Bennets alle Hände voll zu tun haben. Als mitten im Dienstjahr unerwartet James auftaucht, wird er, aus Gründen, die erst später aufgeklärt werden, als Hausdiener eingestellt. Er kümmert sich um die Pferde, bedient die Familie und ihre Gäste und nimmt vor allem Sarah sehr viel Arbeit ab. Er scheint von Anfang an in Sarah verliebt zu sein, warum das so ist, wird aber (leider) nicht wirklich klar. Sarah ihrerseits möchte zwar James’ Aufmerksamkeit erlangen, fühlt sich zunächst aber eher zum Diener der Bingleys hingezogen …
Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, da ich euch nicht spoilern will. Bis auf kleinere Schwächen in der Charaktertiefe fand ich die handelnden Personen und ihre Beweggründe einigermaßen nachvollziehbar. Ich konnte vor allem mit Mrs Hill und Sarah mitfühlen. Als die Vergangenheit von James aufgedeckt wurde, habe ich auch seinen Charakter liebgewonnen.

Die Darstellung einiger Bennets gefiel mir hingegen weniger gut. Ich gehe zwar vollkommen konform damit, dass es für die Hausmädchen keine schöne Angelegenheit ist, die dreckige Wäsche der Herrschaften zu waschen, mit allen Ausdünstungen und Körperflüssigkeiten, die man sich vorstellen kann. Doch vor allem Elizabeth wurde für meine Begriffe sehr negativ dargestellt. Sie erschien mir sehr sprunghaft in ihrem Wesen. Irgendwie war sie für mich nicht die Elizabeth, die ich durch die Vorlage in Erinnerung hatte. Das mag auch der Beziehung geschuldet sein, die Dienstboten und Herrschaft miteinander verbindet. Doch irgendwie hat mich das gestört …
Mr Collins hingegen wurde etwas positiver als im Original beschrieben und Wickham bekam vollends sein Fett weg. (Achtung Spoiler: Ihm wird sogar eine pädophile Neigung angedichtet. Jedenfalls sehe ich das so, denn er macht sich an Polly ran, die im Buch durchweg als Kind dargestellt wird und deshalb nicht älter als zwölf sein kann. Das habe ich aus dem Original so nicht in Erinnerung.)
Auch für Mr Bennet und Mrs Hill hat sich Jo Baker etwas Besonderes einfallen lassen. Diese Geschichte hat der Beziehung zwischen Mr und Mrs Bennet nochmal eine ganz neue Sichtweise verliehen.

Während der Leser den Hausangestellten durchs Jahr folgt, werden auch immer wieder Parallelen zu »Stolz und Vorurteil« gezogen. Wer Jane Austens Klassiker kennt, weiß stets, an welcher Stelle des Buches er sich gerade befindet. Ich fand dies an einigen Stellen jedoch zu vordergründig. Hier hätte ich es schöner gefunden, wenn es noch mehr im Hintergrund abgelaufen wäre. Das hätte das Buch auch um einiges kürzer gemacht und die langatmige Handlung gestrafft. Wo ich auch schon bei meinem Hauptkritikpunkt wäre: die langgezogene Handlung.

Die Geschichte an sich hat mir zwar gut gefallen, doch sie war an einigen Stellen schlicht weg zu lang(weilig). Vor allem am Anfang passiert einfach nichts. Es wird nur beschrieben, wie sie tagein, tagaus waschen, putzen, gelangweilt am Kamin sitzen und warten, dass die Bennets endlich schlafen gehen. Ich weiß, das Leben der Angestellten war nun einmal so. Und in deren Alltag passierte nicht ständig etwas. Aber hier wäre meiner Meinung nach weniger mehr gewesen. Die Tatsache, dass so ziemlich jeder Tag der Angestellten gleich aussieht, wäre dem Leser auch so klar geworden.

Diese Stellen waren es leider auch, weswegen ich das Buch immer wieder beiseitegelegt und einige Tage nicht mehr angerührt habe. Ich hatte einfach keine richtige Lust weiterzulesen. Doch dann wuchs wieder die Neugier, zu erfahren, wie es mit den Charakteren weitergeht, und dann habe ich es doch wieder zur Hand genommen. Denn gegen die Geschichte kann man im Großen und Ganzen nichts sagen. Alle offenen Fragen wurden aufgelöst und vor allem die Passagen zu James’ Vergangenheit haben seinem Handeln einen Sinn gegeben.

Dem Ende der Geschichte stehe ich etwas zwiegespalten gegenüber: Jo Baker ließ die Handlung zwar über das Ende der Vorlage hinauslaufen, doch auch hier war es mir zu langatmig. Das »richtige« Ende war mir dann aber wiederum zu kurz. Das darauffolgende Kapitel »Finis« erscheint abschließend wie ein Epilog. Der Leser erfährt, wie es mit den Figuren weitergeht, was das sehr abrupte Ende von vorher wieder etwas relativiert. Wie ihr seht, hatte ich hier eher gemischte Gefühle.

Der Schreibstil von Jo Baker war flüssig und leicht zu lesen, an einigen Stellen musste ich sogar schmunzeln und ich wurde an den unterschwelligen Humor von Jane Austen erinnert. Dennoch kommt Bakers Stil nicht ans Original heran, aber das muss er auch gar nicht. Bakers Stil hatte etwas Eigenes, was ich sehr mochte.

Fazit:

Wer gerne einen sehr gut recherchierten, historischen Roman über das Leben und Schaffen der Dienstboten des frühen 19. Jahrhunderts lesen möchte, ist mit diesem Roman gut beraten. Denn dass die Autorin hierfür sehr viel recherchiert hat, wurde beim Lesen sehr deutlich. Manchmal kam es mir sogar so vor, als wolle sie unbedingt ihr ganzes Wissen in dieses Buch quetschen. Die Geschichte und die Figuren gingen dabei leider manchmal etwas unter. Wer einen Roman à la Jane Austen erwartet, der wird deshalb leider etwas enttäuscht. Für sich genommen ist die Geschichte jedoch lesenswert, wenn auch sehr langatmig. Als Sommer-Schmöker aber durchaus passabel.


Rezensionen

Dystopie, Krimi und Lovestory – Rezension zu Water & Air

April 8, 2017 • von

Titel: Water & Air
Autor: Laura Kneidl
Verlag: Carlsen
Einband: Softcover
Seiten: 480
Alter: ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-551-31544-1
Preis: CH: 17,90 CHF/D: 12,99 €/A: 13,40 €
Erscheinungsdatum: März 2017

Klappentext:

Seit dem Anstieg der Meeresspiegel leben die Menschen in Kuppeln unter Wasser oder in der Luft. Mit ihren achtzehn Jahren hat Kenzie noch nie die Sonne gesehen und ihr Leben in der Wasserkolonie unterliegt strengen Normen. Schließlich hält sie es nicht mehr aus und flieht in eine Luftkolonie, um dort einen Neuanfang zu wagen. Doch dann wird sie zur Hauptverdächtigen in einer mysteriösen Mordserie und nur Callum mit dem geheimnisvollen Lächeln hält zu ihr. Aber nicht nur den beiden droht Gefahr, auch das Schicksal der gesamten Kolonie steht auf dem Spiel.

Zur Autorin:

Laura Kneidl schreibt Romane über unverfrorene Dämonen, rebellische Jäger, stilsichere Vampire und uniformierte Luftgeborene. Sie wurde 1990 in Erlangen geboren und entwickelte bereits früh in ihrem Leben eine Vorliebe für alles Übernatürliche. Inspiriert von zahlreichen Fantasy-Romanen begann sie 2009 an ihrem ersten eigenen Buchprojekt zu arbeiten, seitdem wird ihr Alltag von Büchern, Katzen, Pinterest und Magie begleitet. (Quelle: Amazon.de)

Weitere Infos unter www.laura-kneidl.de.

Eine fesselnde Lektüre, die zum Nachdenken anregt

Aufmerksam auf das Buch wurde ich durch die Autorin selbst, da ich ihr auf Twitter und Facebook folge. Durch ihre mehrmaligen Ankündigungen und wohldosierten Informationen zur Geschichte hat sie mich extrem neugierig darauf gemacht, sodass ich es mir Ende Februar bestellte.
Das Cover fand ich bereits auf den Bildern, die ich vorher gesehen habe, sehr ansprechend. Als ich das Buch dann aber in Händen hielt, fielen mir die einzelnen Ornament-Zeichnungen auf, die sich durch das gesamte Buch zogen – was ich sehr schön fand. Da sieht man mal wieder, wie wichtig auch die Verpackung sein kann. Ein ansprechendes Äußeres macht definitiv auch Lust darauf, ins Innere zu schauen.

Und das hatte es in sich – der Klappentext hat hier definitiv nicht zu viel versprochen. Zunächst lernt der Leser die 18-jährige Kenzie kennen, die in einer Kuppel im Meer aufwächst. Eingeschlossen von Wasser, spiegelt die Kolonie Kenzies Leben wider. Auch sie fühlt sich eingesperrt. Die Zukunft, die sie sich erträumt, wird von dem System, in dem sie lebt, nicht gestattet. Sie kann sich nicht frei entfalten und dem Beruf nachgehen, den sie sich wünscht. Frauen sind dazu da, die Kolonie durch Nachwuchs am Leben zu erhalten, auf dem Feld zu arbeiten oder sonst eine niedere Arbeit zu verrichten. Wer dem nicht nachkommt, der wird aufs Festland verbannt, das jedoch keine Lebensgrundlage mehr bietet und somit den sicheren Tod bedeutet.
Doch Kenzie will sich diesem Schicksal der Verbannung, das ihr – nicht nur wegen ihres Berufswunsches, sondern auch wegen eines schrecklichen Geheimnisses, das ich hier nicht verraten möchte – bevorsteht, nicht beugen. Und so flieht sie in einem günstigen Moment in die Luftkolonie. Aber auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Mit dem Auftauchen von Kenzie geschehen plötzlich mysteriöse Morde, für die sie verantwortlich gemacht wird. Nur Callum glaubt an ihre Unschuld. Er ist Mitglied des Rates der Luftkolonie, Beauftragter der Sicherheit – eine Art Polizei – und setzt sich für sie ein.
Ab hier nimmt die Geschichte Fahrt auf. Die Dystopie wird immer mehr zum Krimi gemischt mit einer sich langsam entwickelnden Liebesgeschichte zwischen Kenzie und Callum. Die beiden machen es sich zur Aufgabe, die Morde aufzuklären und Kenzies Unschuld damit ein für alle Mal zu beweisen. Doch ihre Spuren verlaufen jedes Mal im Sande und Verdächtige stellen sich als »unschuldig« heraus – zumindest, was die Morde angeht. Auch als Leser wurde ich mehr als einmal auf die falsche Fährte geführt. Immer wenn ich dachte, jetzt weiß ich, wer der Mörder ist, wurde ich eines Besseren belehrt.
Am Ende der Geschichte überschlagen sich die Ereignisse, was dazu geführt hat, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Hätte ich mehr Zeit zum Lesen gehabt, hätte ich es vermutlich an einem Tag verschlungen, so hat mich die Geschichte drei Tage lang begleitet. Und ich habe es nicht bereut.

Laura Kneidl hat mich mit diesem Buch in eine mögliche Zukunft dieser Welt entführt, die definitiv zum Nachdenken anregt. Hintergrundinformationen werden nach und nach eingestreut, so dass es einem beim Lesen fast nicht auffällt. Und die Figuren und ihre Handlungen waren sehr gut nachvollziehbar.
Kenzie ist nicht das typische Mädchen, das man oft in Büchern findet. Sie wartet nicht darauf, dass ihr Prinz kommt und sie rettet. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand. Am Anfang hat mich allerdings die Darstellung von Callum etwas gestört, er ist »scheinbar« perfekt, sieht gut aus und ist zugleich mysteriös. Dahinter steckt jedoch auch bei ihm ein Geheimnis. Nachdem dieses offenbart wurde, hat sich meine Meinung über ihn geändert. Ich konnte ihn nun besser verstehen. Der schöne Schein zeigte sich also nicht nur bei den Kolonien, sondern auch bei den Figuren, eine Tatsache, die sich wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte zieht.

Der Schreibstil von Laura Kneidl ist flüssig, weshalb sich das Buch sehr angenehm lesen lässt. Sehr gut fand ich außerdem, dass in der Geschichte auch Themen wie Drogen, Homosexualität und der Umgang mit älteren Menschen angesprochen werden. Eigentlich Themen, für die ein einziges Buch nicht ausreicht. Das Einzige, was für mich ein wenig zu kurz kam, ist die Wasserkolonie. Hier hätte ich gerne noch etwas mehr erfahren, zum Beispiel über die medizinische Versorgung. Aber das tut der Geschichte überhaupt keinen Abbruch. Denn sie ist wirklich gelungen, fesselnd, spannend und regt zum Nachdenken an. Vielen Dank, Laura Kneidl, für diese schönen Mußestunden mit Kenzie und Callum.