Was ist es, das uns am meisten im Gedächtnis bleibt, wenn wir an ein gelesenes Buch denken? Oft sind es die Charaktere, die einem als Erstes in den Sinn kommen, bevor man sich an die Handlung der Geschichte erinnert. Deshalb möchte ich in diesem Blogpost auf die Figurencharakterisierung eingehen.
Oft sind es die Figuren eines Romans, die über dessen Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Aus diesem Grund sollte man sich beim Schreiben einer Geschichte besonders um die Charakterisierung der Figuren kümmern.
Die Charaktere müssen glaubwürdig sein, zur Handlung passen und sollten während der Geschichte eine Entwicklung durchmachen. Es gibt nichts Schlimmeres und Langweiligeres als starre Figuren, die nicht über sich hinauswachsen. Machen die Figuren jedoch eine Veränderung durch, die den Leser fesselt und Emotionen weckt, bleibt automatisch auch die Geschichte spannend.
Doch was sind gute Figuren?
Für die Erstellung von spannenden Charakteren gibt es kein Patentrezept. Doch es gibt einige Tipps, an die man sich halten kann, damit die Figuren stimmig sind und sich der Leser in sie hineinversetzen kann.
1. Die Hauptfigur muss ein Ziel haben. Durch das Verfolgen des Ziels gerät die Figur dann in Konflikte mit der Außenwelt, mit dem eigenen Inneren, mit einem Gegenspieler etc. So kommt die Geschichte ins Rollen, bis der Charakter das Ziel am Ende erreicht.
2. Der Charakter muss glaubwürdig sein. Seine Handlungen müssen zu seinen inneren Motiven passen. Dazu gehört auch, dass der Plot und die Figurencharakteristik aufeinander abgestimmt werden. Hier kann es hilfreich sein, die Motivation des Charakters in Gedanken nachzuvollziehen und dort mitzuerleben. Wenn man selbst es dann als plausibel erachtet, werden auch die Leser den Handlungsverlauf nachvollziehen können.
3. Auch die äußeren Merkmale, das Verhalten und die Sprache sollten das Innere der Figur widerspiegeln. Hilfreich dafür ist es, sich immer wieder zu fragen, ob die Eigenschaften wirklich zur entworfenen Figur passen. Wenn hier alles stimmig ist, kann der Leser Rückschlüsse auf die Herkunft, den Bildungsstand und die Erziehung der Figur ziehen, ohne dass diese konkret in der Geschichte genannt werden müssen.
4. Unbedingt Klischees vermeiden. Für Leser gibt es nichts Uninteressanteres als ausgelutschte Figurencharakterisierungen. Beispiele dafür sind der Zigarre rauchende Bankdirektor, der heruntergekommene Privatdetektiv, der draufgängerische Abenteurer … Ein komplexer Charakter, der Überraschungen bereit hält und dennoch glaubwürdig erscheint, ist hier die eindeutig bessere Wahl.
5. Um eine Figur in den Roman einzuführen, sollte man es unbedingt vermeiden, eine seitenlange Aufzählung über die Eigenschaften und Vorgeschichte der Figur herunter zu beten. Die Details sollten nach und nach in die Geschichte einfließen, so als ob man einen realen Menschen kennenlernen würde. Denn kein fremder Mensch würde uns beim ersten Kennenlernen seine komplette Lebensgeschichte erzählen. Dennoch sollte der Leser die Figur bereits gut genug kennen, bevor man ein emotionales Ereignis wie einen Unfall stattfinden lässt, denn sonst kann der Leser ihr kein Mitgefühl entgegenbringen.
Was man über seine Figuren wissen sollte
– Name (dieser sollte zur Figur passen)
– Geschlecht, Alter etc.
– äußere Erscheinung
– sprachliche Eigenschaften (Dialekt, Wortschatz, Lieblingswörter etc.)
– Stärken und Schwächen
– Ängste
– Bildungsstand
– Beruf
– Familie und Herkunft
– Gestik
– Hobbys, Gewohnheiten
– Ansichten und Überzeugungen
– etc.
Diese Liste kann beliebig ergänzt werden. Es ist jedoch nicht bei jeder Figur zwingend notwendig, alle Punkte abhaken zu können. Doch je mehr man über seine Figur weiß, desto authentischer wirkt sie.
Verschiedene Figurentypen
Nicht jede Figur, die in einer Geschichte auftaucht, muss bis ins kleinste Detail entwickelt werden. Die verschiedenen Figuren bekleiden unterschiedliche Rollen in der Geschichte. Hier unterscheidet man zwischen: Platzhalter, Nebenfigur, Protagonist und Antagonist.
Platzhalter können mit Statisten in einem Film verglichen werden. Meist tauchen sie nur ein einziges Mal auf und brauchen daher keine abgerundeten Charaktere zu sein. Platzhalter eignen sich besonders dazu, das Setting einer Szene zu gestalten, also das Milieu, den Ort oder die Atmosphäre.
Nebenfiguren spielen schon eine wichtigere Rolle und sollten dementsprechend etwas ausführlicher gestaltet werden. Sie brauchen keine Vergangenheit zu besitzen und dürfen relativ eindimensional sein. Dennoch benötigen sie ein aussagekräftiges Profil, denn der Leser muss wissen, wer und wie sie sind, damit er sie im späteren Verlauf der Geschichte auch wiedererkennt. Nebenfiguren dürfen im Verlauf der Handlung eine Entwicklung durchmachen, diese sollte jedoch nicht so tiefgreifend sein, wie bei der Hauptfigur.
Der Protagonist steht im Mittelpunkt der Erzählung. Als Autor sollte man so viel wie möglich über diese Figur wissen. Die Hauptfigur macht im Laufe der Geschichte eine tiefgreifende Entwicklung durch, die die Handlung vorantreibt. Sie sollte Sympathie, Neugier oder zumindest Interesse des Lesers wecken, aber auch Fehler, Schwächen und unsympathische Charakterzüge aufweisen. Hier kommt es darauf an, die positiven und negativen Eigenschaften gut zu verteilen.
Der Antagonist ist der Gegenspieler der Hauptfigur. Er kommt der Hauptfigur beim Versuch, ihr Ziel zu erreichen, ständig in die Quere. Auch ihn sollte man als Autor möglichst gut kennen. Er braucht eine Vorgeschichte sowie eine einleuchtende Erklärung, warum er so geworden ist. Der Antagonist kann der klassische Bösewicht sein, es kann sich aber auch um »die Gesellschaft« oder um einen Kampf handeln, der sich im Inneren der Hauptfigur abspielt. In diesem Fall wäre sein Gegenspieler eine bestimmte Angst, Schwäche oder Sucht. Das Kräfteverhältnis zwischen Antagonist und Protagonist sollte in etwa gleich sein, damit die Widerstände nicht so leicht überwunden werden können.
Nun wünsche ich euch mithilfe der Tipps viel Spaß beim Kreieren eurer Figuren!
Eure Verena